Additive Manufacturing ist ein Begriff, der heutzutage immer häufiger in Dokumentationen vorzufinden ist. Die Technologie hinter diesem Term bezieht sich auf ein generatives Fertigungsverfahren, bei dem Material oder Materialpartikel zu einem Konstrukt zusammengeführt werden.
Philipp Fisch, Prof. Marcy Zenobi-Wong, Matti Kesti*
Dem gegenüber steht das Subtractive Manufacturing, bei welchem das Rohmaterial durch Abtragen von Material in seine endgültige Form gebracht wird. Eine Methode, welche bereits seit Jahrhunderten verwendet wird. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Schnitzen von Holz. Dahingegen ist Additive Manufacturing eine noch junge Technologie, deren erste kommerzielle Anwendung 1986 von Charles W. Hull vorgestellt wurde. Nichtdestotrotz hat Additive Manufacturing bereits grosses Interesse in der Industrie und Forschung hervorgerufen. Eines der wohl bekanntesten Beispiele für Additive Manufacturing ist Fused Deposition Modeling (FDM), eine Unterform des 3D-Drucks, bei welchem schmelzfähige Kunststoffe räumlich in komplexen 3-dimensionalen Strukturen angeordnet werden. Seit ihrer Einführung wurde diese Technologie immer weiter verfeinert und hat Anfang des 21. Jahrhunderts Einzug in die Biomedizintechnik erhalten, wo sie als Bioprinting bezeichnet wird.
Diese Technologie bezieht sich auf den 3D-Druck von Gewebestrukturen, deren endgültiges Ziel es ist, mit Hilfe von sogenannten Bioinks, voll funktionsfähige Organe zu erstellen. Bioinks definieren hierbei die gedruckte «Tinte» (aus dem Englischen: ink = Tinte), welche das Grundgerüst bilden. So fantastisch dieses Ziel auch klingen mag, ist es heutzutage noch nicht möglich und umstritten, ob es jemals möglich sein wird, derart komplexe Gewebestrukturen wie Organe zu drucken. Nichtdestotrotz bietet diese Technologie neue Möglichkeiten in der regenerativen Medizin, bei der die Vorteile darin bestehen, patientenspezifische Strukturen, sogenannte Scaffolds, mit komplexer Architektur zu erstellen. Die Grundmaterialen dieser Scaffolds sind Hydrogele, besonders wasserhaltige Gele, welche verwendet werden, um den Zellen eine möglichst optimale Umgebung zu bieten. Diese Hydrogele werden mit einer Zellsuspension aus Stammzellen oder patienteneigenen Zellen kombiniert, um eine Bioink zu erhalten, welche im Anschluss mit Hilfe eines Bioprinters gedruckt werden kann.
Druckprozess optimieren
Mehrere Forschungsgruppen weltweit beschäftigen sich heutzutage mit Bioprinting und arbeiten daran, neue Materialien zu charakterisieren, den Druckprozess zu optimieren und patientenspezifische 3D-Modelle aus CT- und MRT-Daten zu erschaffen. Aktuell wird Bioprinting zum Druck von Haut- und Nervengewebe sowie dem Gewebe des Bewegungsapparates eingesetzt. Die Technologie wird hierbei jedoch nicht nur zum Drucken von Ersatzgewebe zur Implantation eingesetzt, sondern auch zur Erforschung neuer Medikamente, zum Testen von Produkten in der Kosmetikindustrie und zur Erforschung des Zellverhalten auf verschiedenste Stimuli.
Eine der grössten Herausforderungen im Bereich Bioprinting ist es, geeignete Materialien zu entwickeln. Die eingesetzten Hydrogele müssen nicht nur eine gewisse Stabilität aufweisen, um sich während und nach der Implantation nicht zu deformieren, sondern auch ein zellfreundliches Umfeld kreieren. Zusätzlich hängt die Präzision der gedruckten Scaffolds sehr stark von der Viskosität der Hydrogele ab. Eine zusätzliche Herausforderung besteht darin, das gedruckte Gewebe mit Nährstoffen zu versorgen und komplexe Gewebestrukturen mit unterschiedlichen Materialien und Zellen zu drucken.
Das Labor
In unserem Labor erforschen wir neue Strategien, um Gewebe wie Knorpel, Knochen und Nervengewebe zu regenerieren. Diese Strategien beinhalten Injektionsverfahren zur nicht invasiven Behandlung von Knorpeldegeneration in Gelenken, Elektrospinning zur Herstellung von porösen Geflechten, sowie Bioprinting zur Herstellung patientenspezifischer Scaffolds. Hierbei fokussieren wir uns auf die Erforschung zukunftsweisender Materialien für die Regenerative Medizin. Ein grosses Problem der heutigen Gesellschaft liegt in der degenerativen Erkrankung des Knorpelgewebes, der Arthrose. Typisch für diese Erkrankung ist die Degeneration des Gelenkknorpels, was die Funktion des Gelenks stark beeinträchtigt und zu Schmerzen und Schwellungen führen kann. Da Gelenke jedoch unter hoher mechanischer Belastung stehen, ist es heutzutage noch nicht möglich, geeignete 3D-gedruckte Scaffolds zu erstellen, die direkt dazu benutzt werden könnten, dieser Belastung standzuhalten.
Ohren aus dem 3D-Drucker
Ein weiteres Problem, mit dem wir uns befassen, ist die Mikrotie, einer angeborenen Fehlbildung der Ohrmuschel. Der momentane Behandlungsstandard sieht vor, Knorpelgewebe der Rippen zu verwenden, um die Ohrmuschel zu rekonstruieren. Bei dieser Methode sind jedoch invasive Eingriffe an zwei Körperstellen notwendig und es kann zu Komplikationen an der Gewebeentnahmestelle kommen. Bioprinting bietet hier eine Lösung. Aufgrund der Unabhängigkeit des Prozesses von vordefinierten Strukturen ist es möglich, das gedruckte Scaffold dem Patienten individuell anzupassen. Zusätzlich benötigt Knorpelgewebe keine Vaskularisierung und das Ohr muss keinen Belastungen, wie sie im Knie auftreten, standhalten. Aus diesen Gründen könnten gedruckte Ohren die ersten implantierten lebenden Scaffolds aus dem Bioprinting-Prozess werden.
Zur Lösung dieses Problems wurde hierfür eine neuwertige Bioink entwickelt, welche die drei Grundvoraussetzungen des Bioprintings erfüllt: Stabilität, Biokompatibilität, sowie gute Druckeigenschaften. Zusätzlich wurde eine Technik entwickelt, um aus CT- und MRT-Daten, 3D- Rekonstrukte der Ohrmuschel zu erstellen, die als Input für den Bioprinter verwendet werden können. Vorklinische Studien zur Ermittlung der Stabilität und Biokompatibilität der gedruckten Scaffolds lieferten zuversichtliche Resultate. In diesen Studien wurde eine Verbesserung der mechanischen Stabilität sowie die Produktion Extrazellulärer Matrix von den Zellen beobachtet.
Trotz dieser vielversprechenden Resultate steckt Bioprinting noch in den Kinderschuhen und es ist notwendig, neue Materialien für den Prozess zu entwickeln. Zusätzlich müssen Lösungen für die Vaskularisierung des gedruckten Konstrukts und das Drucken mehrerer Zelltypen optimiert werden, bevor gedruckte Gewebestrukturen klinisch anwendbar sein werden.
* ETH Zürich, Cartilage Engineering und Regeneration
Heime und Spitäler Ausgabe 2 Mai 2017